Jahresbericht 2022

«Alle Kunst entsteht daraus, dass sich der Künstler der Welt unsicher ist.» schreibt Ferdinand von Schirach in seinem Erzählband «Nachmittage». Dass die Welt äusserst unsicher ist, zeigt uns seit Februar 2022 der Krieg in der Ukraine. Artischock blickt zurück auf ein Jahr mit weniger Corona-Einschränkungen, gut besuchten Anlässen und einer neu kostenlosen Mitgliedschaft für Menschen auf der Flucht.

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Als ich diesen Bericht schreibe, sieht es gut aus: nach zwei Jahren Zwangspause wird wohl wieder eine «echte» GV möglich. 2021 und 2022 fand unsere Versammlung auf dem Korrespondenzweg statt. Im Frühling des Berichtsjahres lockerten sich die Restriktionen, Masken konnten fallen, Anlässe stattfinden. Der Reihe nach:

GV 2022: Routine und geringe Beteiligung
110 gültige Abstimmungsformulare erhielten wir zur virtuellen Vereinsversammlung von 2021, 2022 waren es gerade noch 65. Nun, die Geschäfte waren nicht speziell, es standen keine Wahlen an und Computer-Versammlungen sind einfach langweilig. Rechnung und Jahresbericht wurden abgenommen, der Vorstand entlastet: Protokoll der 34. Generalversammlung.

Website und neuer Auftritt bewähren sich
Seit September 2021 treten wir im neuen Kleid auf. Inzwischen ist unser frisches Logo etabliert, die Website hat sich eingespielt. Unsere Mitglieder nutzen die Möglichkeiten, ihre Anlässe und Angebote bei uns zu publizieren oder sich selbst auf der Mitgliederliste mit Foto und Link zu zeigen. Artischock trägt die online erfassten Einträge samt Bild und Links weiter auf Facebook und Instagram. Der monatliche Newsletter schliesslich listet alle Mitglieder-Anlässe, sie werden gut angeklickt, wie unsere Statistik zeigt.

Kunstreise in den Süden Frankreichs
Nach einer längeren Pause boten wir vom 1. bis 7. Mai 2022 wieder eine Artischock-Kunstreise an. Wir schlossen uns einer von Untra Kulturreisen organisierten Gruppe an und besuchten Arles und Marseille. Die Reise bewegte sich zwischen imposanten Neubauten wie das LUMA in Arles oder das MuCEM in Marseille und pittoresker Altstadt und Hafengassen. Der Reisebericht unseres Mitglieds Ursula Bochsé-Bergmann enthält wertvolle Hinweise für eigene Erkundungen in Südfrankreich.

«Aufbruch»: unjurierte Ausstellung im Höchhuus
Vom 16. bis 26. Juni waren wir mit unserer offenen Ausstellung in Küsnacht zu Gast. Diesmal haben wir uns für ein Motto entschieden – 60 Artischock-Mitglieder interpretierten «Aufbruch» mit ihren Bildern, Objekten und Skulpturen. Das «Höchhuus» lockte auch Passanten an, sechs Werke konnten verkauft werden. Vielen Dank an alle, die mitgemacht haben, pünktlich liefern und abholen und sich am Hütedienst beteiligten!

Ausstellungsbesuche und KünstlerInnentreff
Inspiration und Austausch versprechen unsere Mitgliederanlässe; 2022 konnten wir vier Gelegenheiten bieten:

Dem Meer lauschten wir Ende April in der Chrottegrotte Küsnacht. Artischock-Mitglied Heinz Wegmann las aus «Der alt Maa und s Meer», seiner Dialektfassung des Hemingway-Klassikers. Thierry Kuster entlockte seinem Saxofon passende Klänge zu den Geschichten zwischen Havanna und Zürisee: Bericht.

Architektur, Kunst und Herbstsonne lockten im September an den Zürichsee. Artischock-Mitglied Werner Kreis führte uns durch den wiedereröffneten Pavillon Le Corbusier. Gleich nebenan steht das Atelier Hermann Haller; die Stadt Zürich bespielt es mit wechselnden Ausstellungen inmitten zahlreicher Skulpturen und Modelle des 1950 verstorbenen Bildhauers. Beim anschliessenden Austausch im Gartenrestaurant der Fischerstube zeigten sich Zürichsee und Glarner Alpen in bester Beleuchtung: Bildergalerie und Bericht.

Lea Pianna öffnete uns ihr Atelier in Feldmeilen. Anfang Oktober trafen wir uns am grossen Tisch mitten unter ihren Leuchtskulpturen, Bildern und Objekten. Es entstand ein Austausch über Ausstellungen, kreative Arbeit und den Genuss der grossen Gastfreundschaft bei unserem Mitglied: Kurzbericht und Link.

Werken von Walter de Maria, Pipilotti Rist und Sylvie Fleury begegneten wir anfangs November bei der Artischock-Führung durch die neu eröffneten Ausstellungsräume der bechtler:stiftung in Uster. Der grosszügig angelegte Zellweger Park beherbergt unter anderen Skulpturen und Installationen von Richard Kissling, Sol Le Witt oder Tadashi Kawamata. Eisige Temperaturen liessen uns nach der Parkbegehung rasch wärmere Räume aufsuchen: Infos und Bilder.

Adventskalender zum Jahresausklang
Die von Artischock gemieteten Vitrinen in einer der Unterführungen am Bahnhof Küsnacht bieten unseren Mitgliedern eine willkommene Gelegenheit zu Gratis-Ausstellungen. Seit diesem Jahr betreut sie Daniela Heim – dafür auch hier ein grosses Dankeschön. Gleichzeitig haben wir die Infos zu Grösse und Ablauf auf unserer Website aktualisiert.

Parallel zu unseren eigenen Ausstellungen ist mindestens eine Vitrine für Artischock reserviert und im Dezember realisierten wir zum dritten Mal den Adventskalender. Grossen Dank an Jill Vickerson für Idee und Koordination sowie an alle Mitglieder, die dabei waren und uns beim Aufstellen und den täglichen Öffnungen der Kisten unterstützt haben! Rückblick mit Bildergalerie.

Vernetzung in Küsnacht
Auch wenn unsere Mitglieder mittlerweile weit über Küsnacht hinaus wohnen oder arbeiten, pflegen wir die Verankerung in der Entstehungs-Gemeinde von Artischock (Geschichte). 2022 hat uns Sandra Kazbegi am Küsnachter Kulturtag und an der GV des Küsnachter Vereinskartells vertreten. Irma Peter und Jill Vickerson gestalteten einen farbigen Stand am Anlass für Küsnachter NeuzuzügerInnen (Foto unten). Und schliesslich nahmen wir mit einer Postkarte teil am Versand der Küsnachter Vereine an alle EinwohnerInnen.

Gratis-Mitgliedschaft für Geflüchtete
Wie können wir als Verein etwas Sinnvolles tun rund um den Krieg in der Ukraine? Aus einer intensiven Diskussion im Vorstand entstand das Angebot einer Gratis-Mitgliedschaft für Menschen auf der Flucht. Die entsprechenden Grundlagen haben wir auf dieser Seite formuliert. Das Angebot wird in den Betreuungsstellen und von unseren Mitgliedern kommuniziert. Bisher haben zwei Personen davon Gebrauch gemacht – gerne weitersagen, wer entsprechende Kontakte hat.

Sind Vereine ein Auslaufmodell? Medien berichteten über schwindende Beteiligung, doch die Vernetzung rund um Kunst scheint weiterhin auf Interesse zu stossen; wir stehen jetzt bei 280 Mitgliedern. Aus 26 Austritten und 32 Einritten ergibt sich ein Zuwachs um sechs Personen.

Bei den Austritten fällt auf, dass die Digitalisierung der Marketingmöglichkeiten auf unserer Website und der Ausstellungsinfos zu drei Austritten führt. Anna unterstützt unsere Mitglieder über ihren Computer, wo es möglich ist. Andrerseits hat vielleicht unsere bessere Sichtbarkeit im Internet zum ersten Mitgliederanstieg seit drei Jahren geführt? Die Beteiligung an Ausstellungen, Anlässen und Begegnungen ist das, was am meisten zählt. Und uns im Vorstand immer wieder zeigt, wo der Schuh drückt.

Vorstand: viel Arbeit und Veränderung
In der aktuellen Zusammensetzung haben wir das zweite Vereinsjahr gemeinsam gestaltet. Mit der grossen Unterstützung von Anna Lehmann, die unser Mandat als Sekretariat nun schon seit 2006 betreut. Wir haben uns zu drei Sitzungen getroffen, dazwischen verschiedene Treffen und Telefonate im kleineren Kreis realisiert, die Offline-GV vorbereitet, die oben aufgeführten Aktivitäten umgesetzt, eine neue Software eingeführt für die Mitgliederadministration und Abrechnung.

Im ersten Quartal hat sich Andreas Biank nach drei Jahren Mitwirkung aus dem Vorstand zurückgezogen. Auf das Ende dieses Vereinsjahres werden Irma Peter (nach acht Jahren, davon die letzten zwei als Co-Präsidentin), André Becchio (nach zwei Jahren) und ich (nach drei Jahren Mitarbeit und zwei Jahren als Co-Präsident) ihr Amt niederlegen. Sandra Kazbegi und Jill Vickerson machen weiter; auf die Arbeit von Anna Lehmann zählen wir weiterhin.

Gemeinsam mit Anna habe ich mich im letzten Quartal 2022 intensiv auf die Suche nach neuen Vorstandsmitgliedern gemacht. Wir sind auf gutem Weg; mehr darüber an der GV 2023.

Aufgefrischt ins nächste Vereinsjahr
In den letzten zwei Jahren haben wir mit dem Neuauftritt, der neuen Website und optimierten Abläufen vieles getan, um Artischock in bester Verfassung in ein weiteres Vereinsjahr zu führen. Ich verlasse das aufgefrischte Schiff nach drei intensiven Jahren mit einem grossen Dankeschön an alle, die sich tatkräftig für Artischock engagiert haben und den besten Wünschen für die neue Crew im Vorstand! 

Marcel Bernet

PS: Unsicherheit bleibt eine Lebensbegleiterin, das Eingangszitat ist aus «Sieben», Seite 56, in Ferdinand von Schirachs «Nachmittage» (Google Buchvorschau). Dort bezieht er sich auch auf sein Treffen mit Anselm Kiefer in dessen Atelier in Südfrankreich; davon berichtet dieses YouTube-Video.

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